Collor klebt an seinem Stuhl

■ Brasiliens Vizepräsident bereitet Amtsübernahme vor

Brasilia (taz) — Erst am kommenden Montag wird Brasiliens Vizepräsident Itamar Franco zum neuen Staatsoberhaupt Brasiliens gekrönt. Noch gibt es im brasilianischen Regierungspalast ein Machtvakuum: Der wichtigste Ministerposten, der Sessel des Wirtschaftsministers, ist nicht besetzt. Außerdem hofft die Öffentlichkeit noch auf einen überraschenden, aber unwahrscheinlichen Rücktritt von Präsident Fernando Collor de Mello. Der jedoch kam einen Tag nach der Bewilligung des Verfahrens zur Amtsenthebung im brasilianischen Parlament pünktlich zur Arbeit — als sei nichts geschehen.

Zwar räumte Collor seine Schubladen aus, doch hofft er immer noch darauf, nach dem Prozeß im Senat an die Macht zurückkehren zu können. Wenn zwei Drittel der Senatoren für die Amtsenthebung des Präsidenten stimmen, verliert Collor endgültig seinen Job. „Collor ist verrückt. Er besteht weiterhin auf einem Kabinett im Regierungspalast“, so Itamar Francos Pressesprecher, de Almeida, empört.

Nach der Euphorie über den Sieg der Demokratie ist in der Regierungshauptstadt Brasilia wieder der Alltag eingekehrt. Nur noch Mauro Benevindes, Vorsitzender des Senats, grübelt zur Zeit über Verfahrensfragen eines nie zuvor in Brasilien angewandten Gesetzes.

Vizepräsident Franco zeigte bereits vor der Übernahme der Regierungsgeschäfte, wo es in Zukunft in Brasilien langgeht: Sein Ministerium wurde nicht von ihm, sondern vom Kongreß zusammengesetzt. Auf den Wirtschaftsminister konnten sich die Oppositionsparteien, die plötzlich Regierungsverantwortung übernehmen müssen, noch nicht einigen.

Itamar gab jedoch eindeutig zu verstehen, daß er nicht gewillt ist, die Politik des bisherigen Wirtschaftsministers Marcilio Marquez Moreira fortzusetzen: „Das Volk ging nicht nur für das Impeachment von Präsident Collor auf die Straße. Es fordert grundlegende Veränderungen.“ Astrid Prange